Roman Opalka
1965/1-∞
1977
EB43
LP
400 Exemplare
vergriffen
Der französisch-polnische Künstler Roman Opalka ist 1976 zu Gast im Berliner Künstlerprogramm des DAAD. Im Januar des Folgejahres zeigt die Galerie Block in Zusammenarbeit mit dem Künstlerprogramm die Ausstellung Roman Opalka. 5 Details aus 1965/ 1– ∞ mit in Berlin entstandenen Bildern des Künstlers. Ein Bericht im Berliner Tagesspiegel im Januar 1977 beschreibt die Ausstellungssituation folgendermaßen: »Aus dem Tonbandgerät hört man regelmäßige Worte, unverständlich, eine Litanei, wie in einem fremden Gottesdienst aufgenommen. Es handelt sich um Zahlen, polnisch, die gleichen, die sich – eng an eng – auf den drei Leinwänden im gleichen Raum finden. Der Maler hat sie im Hinschreiben ausgesprochen, jetzt laufen sie vor den Bildern ab, eine Mahnung, daß nicht oder nicht nur das Ergebnis zählt, das Bild, sondern vor allem der Vorgang. Da hat sich, einzigartiger Fall in der Kunstgeschichte, ein Maler selbst ein sehr strenges Gesetz gemacht, und nach dem arbeitet und lebt er jetzt seit nunmehr zwölf Jahren.«1
Die Schallplatte 1965/1–∞, die 1977 in der Edition Block erscheint, gibt die gesprochenen Zahlen zweier Details dieser Ausstellung wieder: einen Ausschnitt von gut 22 Minuten aus der Zählung von 1.987.108 bis 2.010.495 auf der A-Seite und einen Ausschnitt von knapp 21 Minuten aus der Zählung von 2.136.352 bis 2.154.452 auf der B-Seite. Die Rhythmik der gleichmäßig und langsam gesprochene Zählung verändert sich dabei deutlich hörbar an der Schwelle von einer zu zwei Millionen. Das »strenge Gesetz«, von dem der Kritiker des Tagesspiegel spricht, erläutert der Künstler in einem kurzen Text auf der Schallplatte: »In meiner Haltung, die ein Programm für mein Leben ist, wird der Prozeß der Arbeit durch eine Progression, die zugleich die Zeit dokumentiert und definiert, festgehalten. Als Datum erscheint nur das Entstehungsdatum des ersten Details, 1965, vor dem Zeichen für Unendlich und der ersten und letzten Zahl des gegebenen Details. / Ich zähle fortlaufend von 1 bis Unendlich auf Details gleichen Bildformats (ausgenommen die Reisezeichnungen) mit der Hand mit einem Pinsel, mit weißer Farbe auf grauem Grund, der auf jedem folgenden Detail 1 % mehr Weiß haben wird als auf dem vorhergehenden. Folglich erwarte ich den Zeitpunkt, wenn Details Weiß auf Weiß erscheinen. / Jedes Detail wird von einer phonetischen Aufzeichnung auf einem Tonband und einer photographischen Aufnahme meines Gesichts begleitet.« Das Cover der in der Edition erschienenen Schallplatte zeigt zudem ein Foto des Arbeitsaufbaus. Zu sehen ist der Künstler beim Schreiben vor einer großen, hochformatigen Leinwand (195 × 135 cm), umgeben von Apparaturen zur Beleuchtung, Tonaufnahme der gesprochenen Zahlen sowie einer Kamera. Er hat uns den Rücken zugewandt. Bei Fertigstellung dieses Details wird er sich umdrehen und ein Portrait seines Gesichts machen.
Text: Birgit Eusterschulte
1 Heinz Ohff, »Die Kunst der Askese. Roman Opalka in der Galerie Block«, in: Der Tagesspiegel (26. Januar 1977).
