Joseph Beuys
Rot/Loch/Lampe
1976
EB46
Ölfarbe und Bleistift auf Papier, 100 x 65 cm
Geplante Auflage 34 Exemplare, davon 14 Exemplare realisiert + 4 AP, signiert und nummeriert
vergriffen
Für die handgefertigte Edition Rot Loch Lampe, von der nur 14 der geplanten 34 Exemplare ausgeführt wurden, verwendete Beuys die gusseiserne Herdplatte eines alten Ofens mit drei Öffnungen zum Kochen als Schablone. Mit dieser setzt er auf das hochformatige Blatt mit dem Bleistift drei Kreise, deren Radius von oben nach unten abnimmt und die aus der Mittelachse des Blattes nach links gerückt sind. Neben diese drei mit schwarzer Ölfarbe ausgemalten Kreisflächen sind mit Bleistift handschriftlich die Worte »Lampe«, »Loch«, »rot« geschrieben. Der Zusammenhang der in geschwungener Handschrift geschriebenen Begriffe zu den schwarzen, wie Löcher anmutenden Flächen erscheint zunächst rätselhaft und wirft Fragen auf, öffnet sich aber zu einem Assoziations- oder Denkraum, der in Verbindung zu unterschiedlichen Zeichnungen, Werkprozessen und Aktionen des Künstlers steht. In der Installation Das Kapital Raum 1970–1977 (1980) etwa findet sich eine Schiefertafel, auf der Beuys ebenfalls diese drei Begriffe verwendet und deren Bedeutung er auf Nachfrage erläutert: »Da sind einige Sachen über Energie ausgesagt, über Licht und Orientierung, also könnte man sagen: Rot, Loch und Lampe sind Zeichen für sich orientieren überhaupt. Dass einem etwas entgegenkommt in dem Rot, wo die Lichtkraft am intensivsten wirkt und der Mensch ja deswegen das Rot auch als eine Art Urfarbe empfindet. Wenn er an Farbe denkt, denkt er eigentlich an sich zuerst meistens an rot. Das ist eine dem Menschen stark entgegenkommende Farbe. Das Gegenteil ist das Loch, eine in die Tiefe und Weite gerichtete Dimension, eine Höhlung. […] Und dann das Zeichen der Lampe, das ja bei mir sehr oft vorkommt, auch im Zusammenhang mit den Filzaktionen, z.B. auf den Schlitten – ein Zeichen für die Orientierung schlechthin.«1
Die große Bedeutung, die Beuys dieser Konstellation von Begriffen und schwarzen Kreisflächen als »Denkform« zukommen lässt, ist an der Aufnahme eines Blattes mit dem Titel Rot Loch Lampe in das Zeichnungskonvolut The Secret Block for a Secret Person in Ireland abzulesen, von dem Beuys im Gespräch mit Caroline Tisdall sagt, »as a whole it represents my selection of thinking forms in evolution over period of time«.2
Die Zeichnung aus The Secret Block ist nach dem gleichen Verfahren erstellt wie das in der Edition Block im gleichen Jahr und unter gleichem Titel verlegte Blatt, allerdings auf einem stärkeren Papier ausgeführt. Beuys fügte es dem Zyklus The Secret Block mit Zeichnungen aus dem Zeitraum von 1945 bis 1976, den er erstmals 1974 konzipierte, in der Erweiterung des Konvoluts 1976 hinzu.
Bis 1979 wurden insgesamt 14 Blätter hergestellt; die Edition ist rückseitig signiert und nummeriert und mit einem Herausgeberstempel versehen, der den Titel in umgekehrter Reihenfolge Lampe Loch rot nennt.
Text: Birgit Eusterschulte
1 Joseph Beuys, »Erklärungen zum Werk DAS KAPITAL RAUM 1970-77. Bandaufzeichnung von Alois Martin Müller anlässlich der Eröffnung der Ausstellung Der Hang zum Gesamtkunstwerk im Kunsthaus Zürich am 10. Februar 1983«, in: Christel Raussmüller-Sauer (Hg.), Joseph Beuys und Das Kapital, Hallen für neue Kunst, Schaffhausen 1988, S. 128–139, hier S. 131.
2 Joseph Beuys im Gespräch mit Caroline Tisdall, in: Joseph Beuys – The Secret Block for a Secret Person in Ireland, Ausst.-Kat. Oxford, 1974.
