Joseph Beuys
Das Schweigen

1973

EB39

5 Filmspulen, verzinkt
Höhe 25 cm, Spulendurchmesser 38 cm

50 Exemplare + 10 AP, unsigniert, nummeriert

vergriffen

Edition des Künstlers Joseph Beuys. 5 galvanisierte Filmspulen des Films Das Schweigen von Ingmar Bergmann liegen übereinander auf einem Holzboden. Durch die dünne Zinkschicht ist die Oberfläche der Spulen in unterschiedlichen Grautönen, alle Details der Spulen sind aber noch zu erkennen.

    Die Edition besteht aus jeweils fünf Original-Kinokopien der deutschsprachigen Fassung des Films Das Schweigen von Ingmar Bergman aus dem Jahr 1963. Der Film des schwedischen Regisseurs galt als radikal, da er in formal expressiver Gestaltung existenzielle Not und menschliche Entfremdung thematisierte. Die fünf Filmspulen der Aufführungskopien wurden zunächst mit Lack überzogen, dann in einem Kupfer- und Zinkbad galvanisiert, wobei die Filmbänder unter der dünnen Metallschicht sichtbar bleiben. Jede einzelne der Spulen ist mit einem kleinen Metalletikett versehen, in das der Titel der jeweiligen Spule und deren Nummer eingeprägt sind. Die Titel entstehen in einem Übersetzungsprozess, an dem auch René Block beteiligt ist: Seine Inhaltsangaben der einzelnen Filmrollen sind der Ausgangspunkt für Beuys’ Begriffspaare:

    1 Hustenanfall – Gletscher +
    2 Zwerge – Animalisierung
    3 Vergangenheit – Vegetabilisierung
    4 Panzer – Mechanisierung
    5 Wir sind frei – Geysir +

    Die Ummantelung der Filmspulen mit Zink – eine Form der Isolierung, wie sie in vergleichbarer Weise in anderen Objekten und Aktionen etwa mit Filz vorgenommen wird – arbeitet auch hier in zwei Richtungen: Das Schweigen, das in Bergmans Film vielschichtig und metaphorisch für entfremdete zwischenmenschliche Beziehungen steht, wird im buchstäblichen Sinne vollzogen, indem das filmische Material versiegelt und stillgestellt wird. Zum anderen funktioniert die Galvanisierung als Abschottung gegenüber einer Umwelt, und der nicht sichtbare Film wird in der Akkumulation der Spulen zur Batterie eines filmischen Reservoirs, dessen Assoziationsraum in den von Beuys gewählten Begriffspaaren aufgerufen wird.
    »Daß Beuys gerade diesen Film wählte, kommt nicht von ungefähr«, weiß der Tagesspiegel 1973 zu berichten, »– er hat einmal (auch dies ist zu sehen) auf einer Kunst-Auktion das Schweigen Duchamps als überbewertet erklärt. Duchamp hat seit den zwanziger Jahren kaum noch Kunstgegenstände hergestellt, sein Schweigen wurde – wahrscheinlich zu Recht – als programmatisch wahrgenommen. Daß Duchamps Nachfahren wieder reden können und dürfen, verdanken sie Leuten wie Block, die zehn Jahre daraufgaben und geben, das Unpopuläre wenn nicht populär, so doch bewußt zu machen.«1
    Die gemeinsame Herausgabe der Edition Das Schweigen mit Multiples Inc. New York ist auf einem zweiten Etikett auf der oben liegenden Spule 1 angegeben, in das auch die Nummerierung der Edition eingeprägt ist. Der Karton, in dem die galvanisierten Spulen verpackt wurden, ist nicht Teil der Edition Das Schweigen.
    Text: Birgit Eusterschulte

    1 H. O., »Zwischen Beuys und Grass. Zu zwei Berliner Galerie-Ausstellungen«, Der Tagesspiegel (15. Dezember 1973).