Joseph Beuys
Silberbesen und Besen ohne Haare

1972

EB36

Rosshaar, Holz, Silber, Kupfer, Filz; Höhe des Silberbesens 139 cm, Höhe des Kupferbesens 130 cm, Breite jeweils 51 cm

20 Exemplare + 4 AP, unsigniert

vergriffen

Kunstedition des Künstlers Joseph Beuys. In einem weißen Galerieraum lehnen zwei Besen nebeneinander an einer Wand. Der Besen auf der linken Seite ist silbern mit schwarzem Pferdehaar, der Besen auf der rechten Seite ist kupferfarben mit einem Stück Filz anstelle der Haare.

    Das Auflagenobjekt Silberbesen und Besen ohne Haare besteht aus einem an der Wand stehenden, ungleichen Paar Besen, das aus einem aufwendigen Herstellungsprozess hervorgegangen ist. Der Silberbesen ist eine Sonderanfertigung eines Mühlenbesens mit schwarzem Rosshaar mit einer 1 mm starken Ummantelung aus Silber, die das Rosshaar frei lässt. In das ummantelte Fußstück sind die Angaben zur Edition gepunzt: JOSEPH BEUYS / BESEN I 1972 / © EDITION BLOCK / BERLIN / …/20; außerdem findet sich hier ein Silberstempel (»925«). Auch der zweite Besen aus massivem Kupfer, der anstelle der Borsten mit einem Filz unterlegt ist, wurde eigens für die Edition hergestellt und ist auf dem Fußstück mit »Besen II« gepunzt. Insbesondere die Ausführung des Silberbesens bedurfte verschiedener handwerklicher Kenntnisse und Fertigungsschritte. Ein Besenmacher in Süddeutschland fertigte die benötigten Holzteile eines Mühlenbesen mit den charakteristischen engstehenden Bohrungen im Querholz an, die in einer Berliner Blindenwerkstatt mit Rosshaar bestückt wurden. Die genauen Spezifikationen folgen dabei einem Besen, wie er von Beuys alltäglich im Atelier verwendet wurde. Für die Ummantelung der hölzernen Besenstiele wurden zunächst Silberröhren bei Degussa in Mannheim in Auftrag gegeben, die dann im nächsten Schritt von Max van Ooyen, einem Goldschmied aus Kevelaer am Niederrhein, auf die Besen gezogen, verschlossen und mit der Ummantelung des Fußstücks verbunden wurden. Der Kupferbesen wurde per Hand in der Kunstakademie in Düsseldorf erstellt. Während des aufwendigen und langen Produktionsprozesses der Edition entstand die Idee, für Berlin eine Aktion zu entwickeln, in der das Fegen bereits thematisch wird.
    Die Aktion Ausfegen findet am 1. Mai 1972 auf dem Karl-Marx-Platz in Berlin-Neukölln statt. Nachdem Demonstrierende verschiedener linker Gruppierungen zum Tag der Arbeit vorbeigezogen waren, fegt Beuys mit einem charakteristischen Straßenbesen mit roten Borsten zusammen mit dem togolesischen Studenten El Loko und dem koreanischen Studenten Hiroshe Hirose den Platz. »Damit wollte ich klarmachen«, so Beuys über die Aktion, »daß auch die ideologiefixierte Orientierung der Demonstranten ausgefegt werden muß, nämlich das, was als Diktatur des Proletariats auf den Transparenten verkündet wurde.«1 Den gekehrten Abfall sammeln sie in Plastiktüten der Organisation für Direkte Demokratie, die mit dem von Beuys gezeichneten Schema »So kann die Parteiendiktatur überwunden werden!« bedruckt sind. Noch am gleichen Abend werden die befüllten Tüten zur Eröffnung der Ausstellung Joseph Beuys. Ausfegen in der Galerie Block gezeigt und gehen 1985 anlässlich der Friedensbiennale Hamburg, Dem Frieden eine Form geben, zusammen mit dem verwendeten Straßenbesen mit den charakteristischen roten Borsten in die Vitrine Ausfegen (1985) ein. Für Beuys ist das Fegen buchstäblich und metaphorisch Teil eines Reinigungsprozesses, ein Vorgang der Klärung und der Demonstration, der auf festgefahrene Vorstellungen und blinde Flecken verweisen soll. Auch nach seiner Kündigung im Oktober 1972 hatte Beuys den Flur der Kunstakademie in Düsseldorf gefegt.
    Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum Beuys Auflagenobjekte wie Silberbesen und Besen ohne Haare als Vehikel bezeichnet: »Ich bin interessiert an der Verbreitung von physischen Vehikeln in Form von Editionen, weil ich an der Verbreitung von Ideen interessiert bin. Die Objekte sind nur verständlich im Zusammenhang mit meinen Ideen. Was in meiner politischen Arbeit geschieht, hat dadurch, daß ein solches Produkt vorliegt, bei den Menschen eine andere Wirkung, als wenn es nur mittels geschriebener Worte ankäme. Auch wenn die Produkte vielleicht überhaupt nicht geeignet erscheinen, politische Veränderungen zu bewirken, geht davon, meine ich, mehr aus, als wenn die Ideen direkt an ihnen ablesbar wären. Was mir wichtig ist, ist der Vehikelcharakter der Editionen …«2
    Text: Birgit Eusterschulte

    1 Beuys, in: Götz Adriani, Winfried Konnertz, Karin Thomas, Joseph Beuys. Leben und Werk, DuMont Buchverlag: Köln 1986, S. 292.

    2 Jörg Schellmann, Bernd Klüser, »Fragen an Joseph Beuys«, in: Jörg Schellmann (Hg.), Joseph Beuys. Die Multiples. Werkverzeichnis der Auflagenobjekte und Druckgraphik, München, New York, 7. neu bearb. Auflage 1992, S. 9–28, S. 9.