Joseph Beuys
Filzanzug

1970

EB27

Filz, ca. 170 x 100 cm

100 Exemplare + 10 AP, nummeriertes Etikett, unsigniert

vergriffen

Edition von dem Künstler Joseph Beuys, ein grauer Anzug aus Filz hängt an einer weißen Wand.

    Auf einem Kleiderständer hängend werden 1970 auf dem Kölner Kunstmarkt erste Exemplare der Edition Filzanzug zum Kauf angeboten. Die Anzüge aus Filz, die Beuys’ Erläuterungen zufolge nicht als Kleidungsstücke, sondern als Objekte zu verstehen sind, sind nach den Anzugmaßen des Künstlers geschneidert, lediglich an Armen und Beinen sind sie geringfügig verlängert. Ausgeführt sind sie ohne Details wie Knöpfe oder Aufschläge, denn, wie es Beuys in einem Gespräch erklärt: »Man muß den Filzcharakter lassen, die Kleinigkeiten alle weglassen, zum Beispiel komplizierte Umschläge, Knöpfe, Knopflöcher usw. und wenn ihn einer tragen will, kann er ihn mit Sicherheitsnadeln zumachen. […] Der Wärmecharakter – ja, das ist ja klar. Der Filzanzug ist nicht nur ein Gag, sondern eine Erweiterung meiner Filzplastiken, die ich auch in Aktionen gemacht habe.«1
    Eine solche eigenständige Filzplastik ist etwa Infiltration homogen für Konzertflügel (1966), die auf eine Aktion in der Düsseldorfer Kunstakademie 1966 zurückgeht, in der Beuys mit einer Ummantelung aus Filz den Klang eines Konzertflügels isolierte und zum Schweigen brachte. Mit einer isolierenden Ummantelung aus Filz hatte Beuys auch in dem »Fluxus-Gesang« Der Chef/The Chief gearbeitet – seiner ersten Berliner Aktion in der Galerie Block am 1. Dezember 1964. Über acht Stunden ließ er sich in eine Filzrolle einwickeln und so von seiner Außenwelt abschotten, wobei Geräusche des Künstlers aus dem Inneren der Rolle über Mikrophon und Lautsprecheranlage nach außen in den Galerieraum drangen. Auch im Filzanzug sind zwei Dimensionen des Isolierens präsent: »Er ist also einmal ein Haus, eine Höhle, die den Menschen abisoliert gegenüber allem anderen. Zum anderen ist er ein Zeichen für die Isolation des Menschen in unserer Zeit. Filz tritt als Isolator auf!«2 Wenngleich der Filzanzug als eigenständige Filzplastik konzipiert ist, trug Beuys ihn einmal selbst während der Performance Isolation Unit von Terry Fox, die er 1970 gemeinsam mit dem Künstler im Keller der Düsseldorfer Kunstakademie aufführte. Das Editionsblatt der Edition Block zeigt Beuys während der Performance im Anzug.
    Für die Produktion der Anzüge hatte der Berliner Schneider Ernst Aich ein Schnittmuster aus Papier und Pappe angefertigt, dessen Teile Beuys später für Osiris (1970/79) verwendete, einer großformatigen Montage der Schnittmusterteile auf Leinwand (ca. 200 × 300 cm). Beuys’ Konzeption sah zunächst vor, Osiris zusammen mit zwei beschädigten Anzügen aus der Auflage und einem langen Filzkeil zu zeigen, der aus seiner letzten Ausstellung in der Galerie Block 1979 »Ja, jetzt brechen wir hier den Scheiß ab« stammte,3 veränderte aber die Präsentationsform von Osiris beim Verkauf. Die beiden beschädigten Anzüge der Auflage und der Filzkeil gingen anlässlich der Friedensbiennale in Hamburg 1985 in eine eigenständige Vitrine ein, die jedoch von Beuys nicht mehr autorisiert werden konnte.
    Die Anzüge der Auflage sind an der Stelle der Innentasche des Jacketts mit einem nummerierten, mit einer Sicherheitsnadel befestigten Etikett versehen; einige Anzüge sind über der angedeuteten Brusttasche mit einem runden Stempeldruck versehen, wie die meisten der Auflagenobjekte von Beuys in der Edition Block jedoch nicht signiert.
    Text: Birgit Eusterschulte

    1 Jörg Schellmann, Bernd Klüser, »Fragen an Joseph Beuys«, in: Jörg Schellmann (Hg.), Joseph Beuys. Die Multiples. Werkverzeichnis der Auflagenobjekte und Druckgraphik, München, New York, 7. neu bearb. Auflage 1992, S. 9–28, S.16.

    2 Beuys, in: Keto von Waberer, »Das Nomadische spielt eine Rolle von Anfang an. Interview mit Joseph Beuys«, in: Carl Haenlein (Hg.), Joseph Beuys. Eine innere Mongolei, Ausst.-Kat. Kestner-Gesellschaft Hannover 1990, S. 197–221, hier S. 206.

    3 Der Ausstellungstitel »Ja, jetzt brechen wir hier den Scheiß ab« wiederum knüpft an die erste Aktion von Beuys in der Galerie Block an, in deren Kontext Beuys ein Interview im Anschluss an die Aktion Der Chef/The Chief mit diesen Worten beendete.