Richard Hamilton
The Critic Laughs

1968-1971

EB30

Gebiss (8,7 x 8 x 3 cm) aus zahntechnischem Kunststoff, elektrische Braun-Zahnbürste (h: 15,5 cm, ø 4 cm), schwarzer Plastiksockel (10 x 10 x 2 cm), alles im Etui (26,5 x 11 x 6 cm), Gebrauchsanweisung, Garantiekarte

60 Exemplare + 5 AP, signiert und nummeriert

Preis auf Anfrage

Multiple von Richard Hamilton. Die Halterung einer elektrischen Braun-Zahnbürste steht in dem zugehörigen schwarzen Etui. Anstelle der Zahnbürste ist ein Gebiss auf der Halterung. Im Etui steht: edition rene block, auf der Halterung steht HAMILTON
Multiple von Richard Hamilton. Die Halterung einer elektrischen Braun-Zahnbürste liegt in dem zugehörigen schwarzen Etui. Anstelle der Zahnbürste ist ein Gebiss auf der Halterung. Im Etui steht: edition rene block, auf der Halterung steht HAMILTON.
Multiple von Richard Hamilton. Die Halterung einer elektrischen Braun-Zahnbürste steht in dem zugehörigen schwarzen Etui. Anstelle der Zahnbürste ist ein Gebiss auf der Halterung. Im Etui steht: edition rene block, auf der Halterung steht HAMILTON. Daneben liegt eine zweite Edition im Etui.

    Das Auflagenobjekt The Critic Laughs besteht aus einem aus zahntechnischem Kunststoff modellierten Gebissstück, das auf eine elektrische Zahnbürste der Firma Braun aufgesetzt ist. Das Objekt ist eingepasst in ein in entsprechender Größe produziertes Etui, das dem des Braun Sixtant, einem verbreiteten elektrischen Rasierer der Firma Braun, nachempfunden ist und Design und charakteristisches Erscheinungsbild der Marke adaptiert. Der Schriftzug der Typenbezeichnung auf der Zahnbürste ist entsprechend mit »Hamilton« überschrieben. Das Etui ist zudem mit einem kleinen schwarzen Sockel ausgestattet, in dem das Kunststoffgebiss wahlweise zur Aufbewahrung lagert oder das gesamte Objekt zur Präsentation aufrecht aufgestellt werden kann. Richard Hamilton beschreibt Kontext und Entstehen des Objektes selbst in einem kurzen handgeschriebenen Text:
    »The ›Documenta‹ print ›The critic laughs‹ was initiated by a ›readymade‹ object, or to be more precise in our Duchampian terminology a ›readymade assisted‹. It is in association of two mass produced objects – a Braun electric toothbrush and a giantized set of teeth made from sugar (a confection to be found in the English seaside resort Brighton which exemplifies the darker side of British humour). This conjunction immediately reminded me of Jasper John’s ›sculpmetal‹ toothbrush which carries molars instead of bristles. His titles ›the critic smiles‹ seemed too mild for the grotesque shudder of electrically animated teeth – even ›the critic laughs‹ doesn’t quite accomodate this hysteria.
    Sugar teeth are a little unhygenic for the permanent needs of art. They ›sweated‹ in certain weather conditions and began to crystalize and crumble away with time. They were also a little heavy for the small motor. Hans Sohm at Stuttgart, the great archivist of Fluxus and ›Happenings‹ documentation (also a dentist) made an excellent simulation of the sugar teeth in dental plastic – inert chemically and also lighter.
    The laminated offset-litho version of the subject is, stylistically, in the nature of promotional material for the product. Multiple editioning of the object is an obvious development. As with all consumer products, packaging and presentation posed subsequent problems to be solved by the design at a case styled in the manner of the pack for the Braun sixtant electric razor.
    Product, package and promotional matter completes the cycle of the consumer goods industries. Nothing in my experience, and practice, of art suggests that this same cycle does not apply to that category of objects that we label ›art‹.«1 Eine deutsche Übersetzung des Textes geht in den Katalog Richard Hamilton ein, der anlässlich der Ausstellung Richard Hamilton. A Portrait of the Artist by Francis Bacon in der Galerie Block 1971 erscheint.
    Hamiltons Beschreibung des Auflagenobjektes The Critic Laughs, das auf der Berliner Fachmesse für multiplizierte Kunst 1972 von der Galerie Block vorgestellt wird, lässt den aufwendigen Produktionsprozess erahnen, der hinter der Nr. 30 der Edition Block steht. Die Ausstellung Braun-Projekte gibt ein Jahr später Einblick in den komplexen Produktionsprozess der Edition und zeigt die von Hamilton als Ausgangspunkt des Projektes beschriebene gleichnamige Offsetlithografie aus dem Jahr 1968 sowie Grafiken eines weiteren Braun-Produktes, eines von Reinhold Weiss designten Toasters aus dem Jahr 1961, dessen Motiv Hamilton erstmals 1967 in der Offsetlithografie Toaster verwendet.
    In der Ausstellung Multiples. Ein Versuch die Entwicklung des Auflagenobjektes darzustellen, die René Block 1974 für den Neuen Berliner Kunstverein kuratiert, nimmt The Critic Laughs eine zentrale Rolle ein – nicht nur, weil sich anhand von Hamiltons Objekt der Produktionsweg eines Multiples, der im begleitenden Katalog ausführlich erläutert wird,2 gut nachvollziehen lässt, sondern weil es die Readymade-Idee humorvoll und elaboriert in die Gegenwart trägt.
    Für die britische Dokumentarserie The Shock of the New aus dem Jahr 1980, in der der Regisseur Robert Hughes der Entwicklung der modernen Kunst nachgeht, adaptiert Hamilton einen kommerziellen Werbespot und rundet Jahre später seine Auseinandersetzung mit Duchamp und dem Stellenwert des Kunstobjekts in der Konsumwarenindustrie am Beispiel dieses Auflagenobjektes ab. »Hamilton is proud to present its new multiple« heißt es im Stil der Fernsehwerbung dieser Zeit zum Ende des etwa einminütigen Clips, in dem The Critic Laughs als besonderes Liebhaberstück für den Connaisseur von der Schauspielerin Loraine Chase ihrem männlichen Gegenüber als verführerisches Präsent gereicht wird.
    Nummerierung und Signatur des Objektes sind auf der Rückseite des Kunststoffgebisses graviert. Neben Zahnbürste, aufsteckbarem Gebiss und Sockel enthält das Etui zudem ein kleines, geklammertes Heft mit »Hinweisen zum Gebrauch« sowie eine Garantiekarte.
    Text: Birgit Eusterschulte

    1 Richard Hamilton an René Block, undatierter Text (vermutlich Sommer 1971), Archiv René Block.

    2 Vgl. René Block, »Bemerkungen zu Anliegen, Auswahl und Aufbau dieser Ausstellung«, in: Multiples. Ein Versuch die Entwicklung des Auflagenobjektes darzustellen, Aust.-Kat. Neuer Berliner Kunstverein, Berlin 1974, S. 10–24.