Ludwig Gosewitz
Der Anzieh­schmit

1967

EB4

Ausschneidebogen, Offsetdruck
60 x 42 cm

150 Exemplare, unsigniert

vergriffen

Druck von Ludwig Gosewitz. Ein Papierbogen zum Ausschneiden mit dem unbekleideten Künstler Tomas Schmit mit verschränkten Armen und verschiedenen Kleidungsstücken und Gegenständen. Oben steht: Ludwig Gosewitz: Der Anziehschmit, unten links: edition 4. Galerie René Block

    In Der Anziehschmit verwendet Ludwig Gosewitz das Prinzip von Papier-Ankleidepuppen für ein Portrait seines Freundes und Künstlerkollegen Tomas Schmit: Der Papierbogen zum Ausschneiden zeigt neben dem unbekleideten Künstler mit verschränkten Armen einige seiner charakteristischen Kleidungsstücke in typischen Posen und Accessoires. Mit Nachthemd und Anzug, mit Schreibzeug, Brille und Dosen-Poem, Zigarette drehend und mit einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Bierflaschen lässt sich das tägliche Leben des Künstlers nachspielen. Als Dosen-Poem (1963) bezeichnete Schmit eine Serie von Fluxus inspirierten Objekten aus Schraubgläsern, die er mit maschinengeschriebenen Textschnipseln, Zigarettenkippen, Asche oder kleinen Alltagsgegenständen befüllte und mit der Aufschrift »shake well before reading« versah.
    Ludwig Gosewitz, der seit Beginn der 1960er Jahre konkrete und visuelle Poesie veröffentlichte, und der neunzehnjährige Tomas Schmit begegneten sich erstmals 1962 auf dem Fluxus-Festival Parallele Aufführungen neuester Musik in Amsterdam, an dem beide beteiligt waren; auch auf dem von Tomas Schmit organisierten Festival der Neuen Kunst in der Technischen Hochschule Aachen 1994 ist Gosewitz vertreten. Gemeinsame Fluxus-Projekte der beiden Künstler, in denen sie den Kunstbetrieb – sie selbst eingeschlossen – aufs Korn nehmen, entstehen ab 1965, etwa die in vier Versionen erschienenen Formularblöcke Denkzettel (1966) mit Vordrucken für auszusprechende Beleidigungen oder die Aktion Eintagstournee (1966), die dazu einlud, über einen Tag hinweg mit Gosewitz und Schmit an verschiedenen Orten und Zeiten in Berlin zu essen, zu trinken, zu rauchen. Auch Gosewitz’ Der Anziehschmit nimmt spielerisch das Künstlerleben ins Visier. Zugleich sollen die Betrachter und Betrachterinnen, wie es auch Schmit in vielen seiner eigenen Stücke und Objekte der 1960er Jahre vorsieht, aktiv einbezogen werden und selbst Hand anlegen, was im Fall des Auflagenobjektes Der Anziehschmit bedeutet, den Papierbogen zu zerschneiden.
    Text: Birgit Eusterschulte