Joseph Beuys
Schlitten

1969

EB18

Schlitten, Taschenlampe, Filz, Fett
90 x 35 x 35 cm

50 Exemplare + 5 AP, Signatur gestempelt, nummeriert

vergriffen

Multiple von Joseph Beuys. Ein Holzschlitten, auf dem eine kleine Fettplastik liegt und eine Filzdecke und Taschenlampe mit 2 Bändern befestigt sind.

    Die Edition Schlitten wird erstmals auf dem Kölner Kunstmarkt 1969 vorgestellt, auf dem auch Beuys’ große Installation The Pack (Das Rudel) gezeigt wird. Beide arbeiten mit dem Schlittenmotiv, das Beuys schon in Zeichnungen der 50er und frühen 60er Jahre oder auch im Objekt Urschlitten (1964) verwendet hatte.
    Zwei Jahre nach der Gründung des Kölner Kunstmarkts durch den Verein progressiver deutscher Kunsthändler, dessen jüngstes Mitglied René Block bereits 1967 geworden war, feiert die Galerie Block mit dem spektakulären Verkauf der großen Beuys-Installation einen großen Erfolg, der nicht nur kommerziell zu verstehen ist: Die Forderung einer als horrend empfundenen Summe von 110.000 DM für The Pack (Das Rudel), deren zentrale Bestandteile ein alter VW-Bus und 24 aus dem Heck springende, präparierte Schlitten sind, ist auch ein kulturpolitisches Statement, denn der Preis orientiert sich symbolisch an den hochbezahlten Künstlern der amerikanischen Pop Art Robert Rauschenberg und Andy Warhol. Doch auch das Auflagenobjekt ist ein Erfolg und ein Statement: Das unsignierte, aber nummerierte Schlitten-Objekt bietet die Galerie Block für einen Preis von 300 DM als günstige Alternative für ein breites Publikum an und verkauft bereits auf dem Kunstmarkt einen Großteil der Auflage von 50 Exemplaren. Im »Preisunterschied zwischen Unikat und Auflage«, unterstreicht Block später seine Editionstätigkeit, »wurde noch einmal der demokratische Aspekt der Vervielfältigung deutlich gemacht«.1
    Die Idee zu einer Edition, die das Element des Schlittens aufnimmt, entstand während der Produktion der mehrteiligen Installation. Die Edition ist dabei als ein autonomes Objekt zu verstehen, das sich im Detail von den in der Installation The Pack (Das Rudel) verwendeten Schlittenobjekten unterscheidet, wenngleich es aus ähnlichen Bestandteilen zusammengesetzt ist. »Jeder Schlitten trägt eine Überlebensausrüstung«, erläutert Beuys die Schlittenelemente des Rudels: »Die Taschenlampe verkörpert den Orientierungssinn, Filz dient dem Schutz, und Fett ist Nahrung.«2 Für die Edition Schlitten wird mit einem konventionellen Holzschlitten ein anderes Schlittenmodell verwendet. Auf diesem liegen eine gefaltete Filzdecke und eine Stabtaschenlampe, die mit Gurten auf dem Sitz des Schlittens befestigt sind. Wie beim Schlittenelement in The Pack (Das Rudel) liegt auf der Sitzfläche zudem eine gehärtete Plastik aus einem Bienenwachs-Fettgemisch. Die durch das Ausgießen eines Stofffilters entstandene Form fällt für die Edition etwas kleiner aus und ist mit einem eingegossenen Band locker an der Sitzfläche befestigt. Die Nummerierung findet sich mit den Angaben zur Edition auf einem eigens produzierten kleinen Metallschild, das auf der Oberseite einer Kufe angebracht ist. Der Schlitten ist zudem mit Braunkreuz gestempelt, wobei die Platzierungen des Stempels variieren.
    Die Verbindung der Edition Schlitten zur Installation erläutert Beuys in einem Gespräch im Dezember 1970: »Ja, erstens«, so Beuys, »ist das Objekt nicht isoliert, sondern die Edition bildet ein viel größeres Rudel als bei dem VW-Bus. Warum soll das Rudel ewig zusammenbleiben? […] Also es läuft auseinander. Das finde ich auch genauso richtig, als daß es zusammenbleibt. In dem großen Environmentstück gehört es ja zum Bus und muß beim Bus bleiben, aber die Editionsschlitten hatten ja gar nicht den Bus, dieses Element, das das Zusammenbleiben notwendig macht. Durch den Bus mit den Schlitten wird ein Gelände und eine Landschaft provoziert, in der das Rudel lebt. Bei der Edition hingegen gibt es keinen Bezugspunkt zum Raum, sondern die sind einfach in sich gemacht, aber sie existieren auch jetzt noch als Rudel.«3
    Neben der nummerierten Auflage existiert ein von Beuys und Block autorisierter Nachbau von Dieter Hacker als Ausstellungskopie aus dem Jahr 1971, ohne Metalletikett und Stempel, aber mit Signatur.
    Text: Birgit Eusterschulte

    1 René Block, in: Alte Hasen. René Block im Gespräch mit Gabriele Knapstein, hg. v. Susanne Pfeffer, Berlin: KW Institute for Contemporary Art; Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König, 2011, S. 15.

    2 Beuys, in: Caroline Tisdall, Joseph Beuys, Kat. Guggenheim New York, Thames and Hudson: London 1979, S. 190 [dt. Übersetzung in: Jörg Schellmann, Bernd Klüser (Hg.), Joseph Beuys. Die Multiples. Werkverzeichnis der Auflagenobjekte und Druckgraphik, München, New York, 7. neu bearb. Auflage 1992,, S. 430].

    3 Beuys, in: Schellmann/Klüser, S. 16.