Christine Moldrickx
Threads

Die künstlerische Arbeit von Christine Moldrickx basiert auf Prinzipen der Mehrdeutigkeit und Augentäuschung, wobei der sinnlichen Präsenz immer auch eine intellektuelle Herausforderung zugrunde liegt. Wie auch in anderen Editionen – etwa Evervess II 1 von Joseph Beuys (EB11), Blaues Dreieck von Palermo (EB21), Vier Multiples in Tasche von Maria Eichhorn (EB74) und Time Machine von Alicja Kwade (EB87) – wird die Arbeit Threads erst durch die aktive Partizipation ihrer potentiellen Besitzer realisiert. Dafür sollen mit einem Werkzeug oder einem anderen spitzen Gegenstand in 166 cm Höhe zwei vertikale Kerben mit einem Abstand von 7 cm in eine Wand gefräst werden, in die die Hälften eines genau in der Mitte geteilten langen Holzbohrers exakt hineinpassen. „Es sind Ober- und Unterkörper des Werkzeugs oder zwei Figuren, die sich in enge Nischen zwängen. Sich windende Gedankengänge.“¹
Die ursprüngliche Funktion des Bohrers, der normalerweise frontal im 90-Grad-Winkel in die Wand eindringen würde, wird negiert, indem er zerteilt und vertikal in der Fläche festgehalten ist. „Es sind widersprüchliche Eindrücke: Implizieren die Härte und der Glanz des Metalls Technik und operative Handlung, drehen sich die Stifte in der Phantasie wie stählerne Locken. Aber die Schlitze und die Stifte sind in Augenhöhe: real und Gegenüber.“² Die Edition besteht aus einer weißen leinenbespannten Kassette, in deren rechter Seite die beiden Bohrerhälften in zwei Vertiefungen des Bodens eingelassen sind. Die linke Seite enthält die Anleitung zur Installation, Signatur und Nummerierung. Die Künstlerin arbeitet seit 2015 an einer Serie von Wandskulpturen, auf der auch die Arbeit Threads basiert.
Text: Eva Scharrer

¹ Christine Moldrickx im Gespräch mit René Block am 26. Juli 2022.

² Ebd.