Aydan Murtezaoğlu
IN CHARGE
2009
EB73
Mappe mit 8 Offsetdrucken nach Fotografien der Künstlerin
48,9 x 68,6 cm (x 7) and 68,6 x 48,9 cm (x 1)
35 Exemplare + 5 AP, alle Blätter signiert und nummeriert
Mappe: 1.200 Euro
Einzelblätter: 200 Euro
Neben der Inszenierung des Alltags in der Türkei, behandeln Murtezaoğlus Fotografien Praktiken des Ungehorsams, des Widerstands oder Gesten der Störung. Nicht selten setzt sich die Künstlerin in ihren Inszenierungen im privaten oder öffentlichen Raum selbst ins Bild (wenn auch meist partiell oder von hinten gesehen). Es geht ihr dabei jedoch nicht um das Nachzeichnern der eigenen Biografie, vielmehr nimmt sie aus einer Art Stellvertreterposition heraus eine kritische Befragung der unterschiedlichen Rollenmodelle vor, die sie als Frau, Intellektuelle und Künstlerin in der Gesellschaft einnimmt und die sie mit dem sozialen Gefüge verankern.
Für die Mappe IN CHARGE wurden acht Motive ausgewählt – ganz im Sinne von „to be in charge“ geht die Künstlerin darin der Verantwortung nach, die sie in der ihr zugeschriebenen oder von ihr gewählten Rolle in der Gesellschaft innehat. Auf dem Blatt Angel Leap bildet ihr zu einer tänzerischen Formation oder Parade multiplizierter Körper die Form eines Uterus auf weißem Grund. Das Motiv geht zurück auf die Seriegraphie Stadium von 1993–95. Hier arrangierte die Künstlerin die Körper der jungen Mädchen, die im Inönü-Stadion des Fußballvereins Beşiktaş Istanbul unter männlichen Blicken die Choreografien für die Zeremonien zum 19. Mai (Atatürk-Gedenktag) aufführen. Das feministische Symbol war ihr subversiver Protest gegen die männerdominierte Gesellschaft. In Female Driver sieht man die Künstlerin, wie sie – offensichtlich digital montiert – als Unbeteiligte mit dem Auto in die Menschenmenge einer politischen Demonstration gerät. In Closed Circuit mit gesenktem Blick auf einen Tisch mit Spitzendeckchen gestützt, scheint ihre einerseits konservative, andererseits aufreizende Aufmachung die oft widersprüchlichen Erwartungen an die moderne türkische Frau widerzuspiegeln. Drei Motive muten eher wie Familienfotos aus den 1960er oder 70er Jahre an. Eine Aufnahme (Hippi Day) – sie zeigt fünf Frauen und zwei Kinder vor einem Gartenzaun sitzend – scheint authentisch zu sein (rechts unten erscheint in Digitalanzeige das Datum 20.07.1969), wohingegen Metaphore (Child Employee) und Post Natal (Confined) durch die Montage unterschiedlicher Zeitebenen und Realitäten surreal verfremdet scheinen. Nur in zwei der acht Blätter erscheint die Künstlerin nicht selbst: Das Videostill Charged etwa zeigt eine nächtliche Straßenszene mit einem vom Wagen abgespannten Pferd aus der Vogelperspektive.
Verfremdende Effekte erzielt Murtezaoğlu durch einfache Photoshop-Montagen, die ihre Konstruiertheit nicht verbergen.
Text: Eva Scharrer







