KP Brehmer
Deutsche Werte
1967
EB3
Klischeedrucke und Linolschnitte, Kassette mit Auswahlbeutel (Umschlag), 67 x 50 x 3 cm
Geplante Auflage 12 Exemplare, davon 6 Exemplare realisiert, jedes Teil signiert
12.000 Euro
Die Mappe mit dem ironischen Titel Deutsche Werte erscheint anlässlich der Ausstellung KP Brehmers Trivialgrafik. Ausstellung von Briefmarken, Aufstellern, Schachteln, etc. in der Galerie Block im März 1967. Die in einer Auflage von 12 Exemplaren geplante Kassette aus Karton enthält eine Auswahl von Brehmers seit 1966 entstehenden Briefmarken-Drucken. Bereits auf dem Kassettendeckel ist der von Brehmer so benannte Auswahlbeutel Umschlag (B100a) kaschiert. Die Kassette wird damit selbst Bestandteil der Edition. Der Auswahlbeutel Umschlag ist wie ein Auswahlbeutel mit Briefmarken gestaltet und enthält einzelne, sich motivisch wiederholende Briefmarkendrucke, die im Klischeedruck (Rasterdruckverfahren) auf Kunstdruckpapier gedruckt sind. Neben dem Motiv der Wohlstandsmarke, einer von Brehmer selbst entworfenen Briefmarke aus dem Jahr 1966, greift er für den Umschlag auf das Motiv einer Albrecht Dürer-Briefmarke aus der DDR der 1950er Jahre und einer deutschen Hakenkreuz-Briefmarke zurück, die er beide bereits in eigenständigen Grafiken herausgegeben hatte. Die sechs ausgeführten Exemplare der Auflage variieren dabei etwas in der Anordnung der Briefmarkendrucke. Der_ Auswahlbeutel Umschlag_ ist zudem mit einer Banderole mit dem Titelaufdruck Deutsche Werte versehen und foliert. In der Kassette sind weitere Drucke mit modifizierten Briefmarkenmotiven in unterschiedlichen Techniken und Größen enthalten:
(1) drei vergrößerte und zusammenhängende, im Linolschnittverfahren in braun auf weißem Kunststoff gedruckte Briefmarken Deutsches Reich mit schwarzem Stempelaufdruck (B 83),
(2) ein Linolschnitt mit dem vergrößerten Briefmarkenmotiv Hitler, gedruckt in grün auf Papier mit schwarzem Stempelaufdruck (B77),
(3) eine beidseitig im Klischeedruckverfahren mehrfarbig gearbeitete Grafik auf leichtem Karton in Form einer Postkarte, die auf der folierten Vorderseite fünf Ansichten aus dem »Wohlstandsleben« zeigt und rückseitig mit der Lineatur einer Postkarte sowie in violett dem Briefmarkenmotiv Kölner Dom bedruckt ist (B 102 a/b),
(4) ein Klischee-Druck in gelb Deutsche Werte (Bogen Hitler) mit der Reproduktion eines Bogens aus 92 Hitler-Briefmarken, der auf Karton aufgezogen in der Innenseite des Kassettendeckels angebracht ist sowie
(5) einen Sammelbeutel Deutsche Werte aus transparentem Plastik mit einem kartonierten Etikett mit Titelaufdruck, der in unterschiedlicher Anordnung drei Briefmarken-Drucke enthält: den Klischeedruck in blau/rot Hommage à Dürer, den Linolschnitt in gelb Ulbricht und den Klischeedruck in rot Kölner Dom.
Das Interesse für die politische Bildsprache des Massenmediums Briefmarke erläutert Brehmer im Ausstellungskatalog Grafische Techniken (1973), in dem sein druckgrafisches Werk als Beispiel einer Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten industrieller Drucktechniken und der gesellschaftspolitischen Bedeutung der Druckgrafik vorgestellt wird. »Anfang 1966«, so Brehmer, »produzierte ich meine erste Briefmarke im Überformat, die wohlbekannte Hitlermarke, die während der Dauer des ›1000jährigen Reiches‹ zuerst Deutschland und später halb Europa überschwemmte. Aus dieser Marke entwickelte sich eine Motivkette von etwa 50 Blättern. Die bewußte Motivwahl beschränkt sich nicht nur auf die Übernahme vorhandener Briefmarken, einige Motive wurden vereinfacht, deutlicher gemacht, andere wurden durch Montage wesentlich verändert (z. B. Marke US POSTAGE: Drucksachenstempel USA, es wurde die Weltkugel in einer bestimmten Drehung hinzugefügt).
Zu diesem inhaltlichen kam noch ein formaler Vorgang. Um den Sammler hoher Kunst ziemlich direkt mit dem Trivialbereich in Beziehung zu setzen, entwickelte ich komplizierte Druckvariationen, unterschiedliche Auflagenhöhen, gestempelt und ungestempelt, Fehlfarben usw., die gleichermaßen Briefmarken- wie Grafiksammler entzücken, vergleiche Werkverzeichnisse und Briefmarkenkataloge … Diese Aktion kann als ein Beitrag zur Kunstsoziologie gesehen werden, und ich hoffe, der Grafikkonsument kommt auf diese Weise zur heilsamen Reflexion seiner Lage.«1
Mit Ausnahme der in und auf den Deckel der Kassette montierten Grafiken Deutsche Werte (Bogen Hitler) und Auswahlbeutel Umschlag sind die Grafiken und die Mappe nummeriert und signiert.
Text: Birgit Eusterschulte
1 KP Brehmer, in: Grafische Techniken, Ausst.-Kat. Neuer Berliner Kunstverein [Künstlerische Leitung und Redaktion René Block], Berlin 1997, S. 27.




