Wolf Vostell
Klammerbuch

1966

EB1

Siebdruck auf Karton, Schraubzwinge
ca. 24 x 12 x 18 cm

150 Exemplare, nummeriert

1.200 Euro

Multiple von Wolf Vostell. Längliche Karten aus vergilbten Karton sind mit einer Schraubklemme an eine Stange geklemmt. Auf der ersten Karte steht: WOLF VOSTELL. 2 de-coll/age-happenings. BERLIN 1965
Multiple von Wolf Vostell. Längliche Seiten aus vergilbten Karton werden mit Schraubklemmen zusammengehalten. Auf der ersten Karte steht: WOLF VOSTELL. 2 de-coll/age-happenings. BERLIN 1965 Mehrere dieser Klammerbücher liegen auf einem Haufen

    Mit dem Klammerbuch von Wolf Vostell nimmt die Edition Block zwei Jahre nach der Eröffnung der Galerie ihre Tätigkeit auf. Vostell, der bereits im Herbst 1964 an der ersten Ausstellung der Galerie Neodada, Pop, Décollage, Kapitalistischer Realismus teilgenommen hatte, führte im darauffolgenden Jahr sein erstes Berliner Happening und eine Aktion durch: das Happening Phänomene auf einem Autofriedhof in Schöneberg im Frühjahr und im Herbst 1965 die Aktion Berlin – 100 Ereignisse – 100 Minuten – 100 Stellen an verschiedenen Orten im Stadtraum.
    Das Klammerbuch, ein Buch aus 13 einzelnen, kartonierten Texttafeln (Siebdruck), wird durch eine Schraubzwinge zusammengehalten und kann mit dieser auch als Objekt im Raum montiert werden. Die einzelnen Tafeln des Buches geben die Konzeptionen der beiden genannten Dé-coll/age-Happenings von Vostell wieder und enthalten die Protokolle der Ereignisse. Zu den 100 Ereignissen, die sich für je eine Minute vor Zufallspublikum (zfp) ereigneten, heißt es etwa: »2 anstarren der fahrkartenverkaeuferin in der U bahnstation / zfp 2« oder »47 magazin der spiegel mit vorhaengeschloss verschliessen – schluessel am fenster herauswerfen / zfp 4«. In dem Dé-coll/age-Happening_ Phaenomene_, an dem einer der Texttafeln zu Folge KP Brehmer, H.C. Artmann, J. Petersen, V. Tsakiridis, P.O. Chotjewitz, L. Gosewitz, H. Hödicke, S.D. Sauerbier, H. Nitsch, M. Luepertz, R. Block und W. Vostell als Akteure mitwirkten, ist das Publikum aufgefordert, sich kletternd und kriechend »durch einen mit schnueren vorgeschriebenen weg durch das automobillabyrinth« eines Autofriedhofs zu bahnen, nachdem es zuvor »aktionsanweisungen« vom Galeristen erhalten hatte. Eine gezeichnete Partitur des geplanten Happenings entsteht einige Tage vor dessen Durchführung im Beisein der beteiligten Künstler. »In unserer Mitte sitzt Vostell am Schreibtisch über ersten Notationen für das Berliner Phänomene Happening. Grosszügig werden die Umrisse eines Autofriedhofes am Sachsendamm auf Karton fixiert. In dieser Fläche befinden sich bald schlangenförmige gewundene Linien: die zukünftigen Wege des Publikums in Autos, über Autos und um Autos herum. Schwerpunkte werden verteilt. […] Vostell hat längst zu farbiger Kreide gegriffen und akzentuiert die Phasen, über die er gerade spricht.«1 Anders als diese erste zeichnerische Partitur listet das Klammerbuch auf sechs beidseitig bedruckten Texttafeln im Detail in einfachen Beschreibungen »20 sehr dynamische aktionsgeladene minuten« auf, denen laut Klammerbuch eine aktionsfreie Phase vorausgegangen ist: »20 minuten ist die situation wie sie ist«. Das Klammerbuch ist auf der letzten Texttafel nummeriert, auf der es auch als erste Edition der Galerie Block ausgewiesen ist.
    Text: Birgit Eusterschulte

    1 René Block, »Tage mit Vostell« (Juli 1966), in: René Block. Ich kenne kein Weekend. Ausstellungsprojekte, Texte und Dokumente seit 1964, hg. v. Marius Babias, Birgit Eusterschulte, Stella Rollig, Köln 2015, S. 60–63, hier S. 62.