Claus Böhmler
Materialien zur Postmoderne in Bild und Ton
1986
EB53
LP mit eingelegtem Offsetdruck (30 x 60 cm, beidseitig bedruckt, gefaltet auf 30 x 30 cm)
500 Exemplare, unsigniert
vergriffen
„Claus Böhmler arbeitet mit den Medien. Da sie scheinbar so gut funktionieren, nimmt er sie auseinander, untersucht oder setzt sie neu zusammen. Dieser Vorgang läßt keine schicken Momente für die Wohnzimmer der Kommunikationstheoretiker, Soziologen, Simulationsapokalyptiker entstehen, sondern rudimentäre Rohstoffe von der Weisheit der Notizbücher, Zeichnungen, Kleinbildkameras, Radios, Fotokopien und Kassetten. Die armen Medien sind es, die Augen und Ohren öffnen. Nicht gebunden an einen kulturbürokratischen Verwaltungsapparat behaupten sie sich durch einen Reichtum für Ideenproduktionen, die fragmentieren, fermentieren, verknüpfen und experimentieren; denn, nach Meinung Böhmlers ist jeder Stoff zum Denken gut‘ (K. Gallwitz). Besonders materialisiert sich Sprache, die Böhmler nicht nur Kommentar, sondern Ausgangspunkt, Komposition, Verwirrung und Anweisung zugleich ist. Man denke sich ein Nashorn als Grammophon.
Böhmlers Platte für diesen Apparat mit dem schönen Titel ,Materialien zur Postmoderne in Bild und Ton‘ bietet eine reichhaltige, kompakte Angelegenheit. Die erste Seite komponiert drei Sätze mit dem Tonband. Die Verkettung von angeklopftem, angeblasenem, angezupftem, angespieltem Sound produziert wechselnde Atmosphären und könnte wie jede Fragmentreihung in Ewigkeit so weiter klingen. Die beigelegte Partitur dieser Muzak für fortschrittliche Idylliker, Hausfrauen und Autofahrer, die sich von Sportflugzeugen nicht stören lassen, ist während der Aufnahme der weiß gepressten Platte entstanden, deren Coverdesign Stockhausen, Rams, Schreibmaschinenästhetik und Mode mixedpickled.
Die andere Plattenseite trägt eine Rede Böhmlers zum neuen deutschen Design (,die kombi-nation steht kopf!‘) vor. Die Abfolge der Rezitation wird durch akustische Überarbeitung brüchig, pointiert und wieder Reihung von Einzelmomenten, die Aussage dekomponiert und mehrschichtig. Böhmler, der selbst Medienmöbel skizziert, spricht und musiziert polyglott, also für alle. Sein Wohnzimmervortrag ,Chers amis du meubler perdu, chers auditeurs! Moble party, verehrte wörldstars!‘ ist ein analytischer, vielstimmiger, sprachspielerischer und -kompositorischer Essay, gewitzter als manch gewiefter Rekurs. ,Alles nur gewohnung, Fritz!‘“
Michael Glasmeier, in: Katalog 7, Oktober 1986, gelbe MUSIK
